ICAO: so sorry – wir werden lauter, dreckiger und klima-schädlicher

Von unten nach oben: es wird lauter (die von Fluglärm über einer bestimmten Schwelle betroffene Fläche rund um Flughäfen wird grösser), dreckiger (der Ausstoss an Stickoxiden in Bodennähe nimmt zu) und klima-schädlicher (der Ausstoss an CO2 nimmt zu). Für Details Grafik anklicken.

Quelle: www.bi-fluglaerm-raunheim.de, Aktuelles

Alle drei Jahre tritt die ICAO-Voll­versammlung zusammen, und im September ist es wieder mal soweit. In Vorbe­reitung dieser Versamm­lung stellen die diversen ICAO-Gremien Arbeits­papiere bereit, die grund­legende Informa­tionen für die Diskus­sion der Politiker in der Vollver­sammlung liefern. Eines dieser Papiere enthält Szenarien über die Entwick­lung der Umwelt­belastungen aus der inter­natio­nalen Luft­fahrt bis zum Jahr 2050. Und wie fast immer in diesem Sektor, so auch hier: so dema­gogisch, schön­färber­isch und verlogen die öffent­lichen Stellung­nahmen auch sind, die tech­nischen Grund­lagen für die Beschluss­fasung sind meist solide.

Daher lohnt es sich, die Szenarien, die als Ergebnis mehr­jähriger Model­lierungs­arbeiten verschie­dener Experten­gremien in dem Arbeits­papier präsen­tiert werden, genauer anzu­sehen. Zwar enthalten sie alle auch Ent­wicklungs­wege, die dazu führen, dass die nega­tiven Auswir­kungen nicht oder nicht wesent­lich grösser werden als heute (als ob das ausreichen würde!). Von den dafür notwen­digen Maß­nahmen sagt das Arbeits­papier aller­dings selbst diplo­matisch aber deutlich, dass sie unmög­lich umzu­setzen oder extrem unwahr­schein­lich sind. Lässt man diese ‚Schau­fenster-Szena­rien‘ weg, ergibt sich ein durchaus reales Bild des drohenden Desasters.So zeigen die Basis-Szenarien, die den „business-as-usual“-Weg darstellen und bereits die normale Flotten­erneuerung, also die schritt­weise Einführung ’sparsamerer‘ und ‚leiserer‘ Flugzeuge, bein­halten, dass sich damit der Lärm im Flughafen­umfeld mehr als verdoppeln und die Stickoxid- und CO2-Emissionen etwa vervier­fachen würden. Weiter­gehende tech­nische Verbesse­rungen könnten nach diesen Rech­nungen dafür sorgen, dass sich die CO2-Emissionen nur verdrei­fachen und die Stickoxid-Emissionen nur verdoppeln, während beim Lärm je nach Aufwand von einer Verdopp­lung bis zum Absinken unter das heutige Niveau alles möglich sein soll.
Würden sogenannte ’nach­haltige Treib­stoffe‘ das Kerosin aus Erdöl vollständig ersetzen, wäre sogar ein Verharren der CO2-Emissionen auf dem gegen­wärtigen Niveau möglich. Ein Übergang zur Klima-Neutra­lität, wie er für andere Sektoren bis spätestens 2050 gefordert wird, wäre aber auch mit der maxi­malen Anwendung dieser Wunder­waffe unmög­lich. Ein halbwegs realis­tisches Szenario sagt denn auch bei optimaler Nutzung dieser Treib­stoffe immer noch eine Verdopp­lung der CO2-Emissionen voraus – und die Klima­wirkungen der sonstigen Emissionen werden hier gar­nicht berück­sichtigt.

Sollte jemand an dieser Stelle die Berück­sichtigung des vielbe­schworenen CORSIA-System vermissen, mit dem die Luft­verkehrs­industrie ab 2020 ‚klima­neutral wachsen‘ will, so sei hier nochmal daran erinnert: CORSIA hat keinerlei Einfluss auf die tatsäch­lichen Emis­sionen des Luft­verkehrs. Es soll ledig­lich dafür sorgen, dass alle Emissionen, die über das Niveau, das 2020 erreicht wird, hinaus­gehen, durch Einspa­rungen in anderen Sektoren kompen­siert werden. Wie gut das funktio­nieren kann, ist offen. Nach wie vor ist die Gefahr gross, dass es nur zu Buch­halter-Tricks führt, die viel­leicht die Öffent­lichkeit, nicht aber den Klima­wandel beein­flussen können.

Natürlich wäre an den Szenarien noch vieles zu kriti­sieren. Generell ist ihre Dokumen­tation in diesem Arbeits­papier sehr ober­flächlich (der ICAO-Umwelt­report, der eventuell genauer darauf eingeht, ist noch nicht veröffent­licht), so dass man den Wert dieser Aussagen nicht im Detail beur­teilen kann. Auch die gewählten Para­meter sind diskus­sions­würdig. So ist die gewählte Schwelle für Fluglärm­belastung recht will­kürlich, und die Grösse der belasteten Fläche sagt nichts darüber, wieviele Menschen betroffen sind. Bei den Stick­oxid-Emis­sionen greift die Beschrän­kung auf den LTO-Zyklus nur den Aspekt der lokalen Luft­qualität heraus (und unter­schätzt die Belastung da wahr­schein­lich deutlich), aber Stick­oxide spielen auch global eine Rolle. Und CO2 macht eben höchstens die Hälfte der Klima­belastung durch den Luft­verkehr aus, wahr­schein­lich aber deutlich weniger.
Das ebenfalls im Papier enthaltene Szenario für ‚particulate matter‘, also Feinstaub, disku­tieren wir hier garnicht, weil da nur der ‚grobe‘ Staub beschrieben wird. Der ist zwar nicht unwichtig, aber gerade bei Flugzeug­abgasen spielt der Ultra­feinstaub die viel entschei­dendere Rolle.
Eigentlich relevant sind aber die Trends, die man aus den Szenarien ablesen kann, und insbe­sondere die Tatsache, dass in allen Bereichen die Belastungen (wie auch immer sie genau gemessen werden) so stark wachsen, dass alle denk­baren tech­nischen Gegen­maßnahmen nicht ausreichen, dieses Wachstum zu kompen­sieren, geschweige denn die heute schon viel zu hohen Belas­tungen wirksam zu reduzieren.

Es ist ja nicht wirklich neu und wurde gerade in der letzten Zeit oft genug geschrieben: Luftverkehr ist ein Klimakiller und schadet der Gesundheit, und es gibt keine auch nur halbwegs ausrei­chenden tech­nischen Maß­nahmen dafür, das zu ändern. Es hilft wirklich nur, ihn einzu­schränken, und das geht nur mit hohem politischen Druck und hart­näckiger Über­zeugungs­arbeit. Und dafür ist es doch sehr hilfreich, dass die Gegenseite selbst ihr Problem so deutlich und eindrück­lich beschreibt.

Quelle:  www.bi-fluglaerm-raunheim.de, Aktuelles

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