Ultrafeinstaub – FRAPORT leugnet weiter das Offensichliche

Grafik UFP-MessungenFraport hat vor ein paar Tagen ohne öffent­lichen Aufwand den Luft­hygieni­schen Jahres­bericht 2018 online gestellt. Er enthält zunächst die Ergeb­nisse der vorge­schriebenen Luft­qualitäts-Messungen, aber wie schon im letzten Jahr auch noch einige Seiten zu Ultra­feinstaub.

Interessant daran ist insbe­sondere die Grafik, die Mess­ergeb­nisse der HLNUG-Sta­tionen in Raunheim und Schwanheim zusammen­fasst. Man sieht dort, dass in Raunheim die Anzahl-Konzen­tration an Partikeln der kleinsten gemessenen Größen­klasse (wie sie aus Flug­zeug-Turbinen emittiert werden) am grössten ist, wenn der Wind aus nordöst­lichen Rich­tungen weht. Grössere Partikel sind deutlich weniger vorhanden und treten bei allen Wind­richtungen auf. Die Station in Schwanheim zeigt ein ähnliches Ergebnis, aller­dings treten die hohen Konzen­trationen bei Wind aus südlichen Rich­tungen und in den untersten 2-3 Grössen­klassen auf.

Die Interpretation dieser Ergebnisse scheint auf der Hand zu liegen. Raunheim wird bei Wind aus nordöst­lichen Richtungen von landenden Flugzeugen überflogen; deren Partikel­emmissionen bestehen über­wiegend aus sehr kleinen Teilchen, die an der Meßstation direkt nachge­wiesen werden. Wenn Raunheim bei anderen Wind­richtungen nicht überflogen wird, sind die Partikel­zahlen deutlich niedriger.
In Schwanheim, wo die Station etwas weiter von der nächsten Anfluglinie entfernt ist, steigen die Partikel­zahlen, wenn auf der Nordwest­bahn aus Richtung Osten gelandet wird und südliche Winde die Emissionen in Richtung der Meß­station wehen. Da die Partikel bis dorthin etwas länger unterwegs sind, ‚altern‘ sie und klumpen teilweise zusammen, so dass auch etwas mehr grössere Partikel dort ankommen.
Im Detail ist das Ganze natürlich kompli­zierter, aber grund­sätzlich stimmen Theorie und Praxis hier recht gut überein. Das Problem ist nur, dass das nicht wahr sein darf.

Fraport versucht nämlich, das Dogma aufrecht zu erhalten, dass UFP in rele­vanten Mengen nur am Flughafen direkt emittiert werden und die Überflüge für die Immis­sionen keine Rolle spielen. Die dazu entwickelte Argumen­tation ist an Kurio­sität wohl kaum noch zu über­bieten.

Zunächst wird noch ganz korrekt fest­gestellt, was alles nicht zu diesem Dogma passt. Die Unter­schiede in den Grössen­verteilungen an den beiden Stationen sind gerade falsch herum, weil Raunheim weiter vom Flughafen entfernt ist als Schwanheim und daher dort mehr ‚gealterte‘, grössere Partikel ankommen müssten. Das verwendete Ausbreitungs­modell kann nicht beschreiben, wie die gemessenen Partikel­anzahlen zu den Meß­stationen trans­portiert werden sollten. Die weitaus über­wiegende Anzahl der Partikel am Flughafen wird bodennah emittiert und kann sich garnicht über grössere Strecken ausbreiten.
Dann aber beginnt der Bereich wilder Speku­lationen – von einer Qualität, bei der man einem Mathe­matik-Studenten im ersten Semester empfehlen würde, sich doch lieber im Bereich der Künste zu engagieren oder sonst irgendwo, wo unge­hemmte Phantasie eine positive Rolle spielen kann. Hier ist sie fehl am Platz.
Zwar wird zunächst zuge­geben, dass das verwen­dete Aus­breitungs­modell einige für die Partikel-Aus­breitung relevante Prozesse nicht darstellen kann. Das wird aber nicht als Mangel gesehen, sondern nur als Hinweis darauf, dass man ja gar keine Überein­stimmung zwischen Modell­ergebnissen und Realität erwarten darf. Und dann fallen jegliche Hemmungen: der „subjektive Eindruck von gemein­samen Mustern in den Zeit­reihen von Messung und Modell soll quanti­tativ erhärtet werden“, trotz „der nur begrenzt gültigen statis­tischen Voraus­setzungen“, und wenn sich auch dabei nur eine „schlechte Korre­lation … mit den gemes­senen Partikel­anzahlen“ ergibt, so „scheint sich hier der starke Einfluss der nicht modellier­baren, flüch­tigen, sekundär gebil­deten Partikel auf die Mess­ergeb­nisse bemerkbar zu machen“. In Kürze: Wir bilden uns einen Zusammen­hang ein, rechnen mit untaug­lichen Methoden nach, finden ihn trotzdem nicht und haben damit gezeigt, dass er durch andere Mecha­nismen bewirkt sein muss.
Und so geht es weiter. Auch, wenn die Korre­lationen schlecht und die Prozesse nicht model­lierbar sind, legen die Ergeb­nisse „nahe, dass ein beträcht­licher Anteil der gemessenen ultra­feinen Partikel in Raunheim und Schwanheim zwar mit dem Flug­hafen- bzw. Flug­betrieb verknüpft ist, aber nicht aus primären Triebwerks­emissionen, d.h. nicht aus Ruß besteht. Dies hätte auch Konse­quenzen für die Beur­teilung ihrer Wirkung. Während die gesund­heits­schädigende Wirkung von Ruß unbe­stritten ist, muss dies für andere, sekundär gebildete Partikel nicht oder nicht in gleichem Maß der Fall sein, insbe­sondere wenn es sich um lösliche Sekundär­produkte der gasförmigen Vorläufer Schwefel­dioxid und Stickoxide handelt.“ Kurz zusammen­gefasst sagt das: unser Modell taugt nichts, wir können die Meß­ergeb­nisse nicht erklären, aber wir nehmen das als Hinweis dafür, dass alles ganz harmlos ist. Sowas muss man sich erst einmal trauen.

Diese Argumen­tation ist umso erstaun­licher, als es natür­lich Modelle gibt, die die genannten (und die verschwie­genen) Mängel nicht haben und die Partikel-Aus­breitung einiger­maßen realis­tisch dar­stellen können. Aktuell wird z.B. eins am Amster­damer Flug­hafen Shipol einge­setzt, um die Belastung der Bevölke­rung im Umland und die daraus resultie­renden Gesund­heits­risiken zu bestimmen.
Und es gibt auch zahl­reiche Belege für die Rolle der Überflüge zur Erklärung der Messungen in Raunheim und Schwanheim und anderswo. Ein Forscher hat es in der 23. Konferenz der ETH Zürich zu „Nano­partikeln aus Verbren­nungs­prozessen“, die gerade zu Ende gegangen ist, bescheiden und prägnant so ausge­drückt: „Our results suggest that landing aircraft can help explain peak ambient UFP exposures.“, in Deutsch: Unsere Ergeb­nisse legen nahe, dass landende Flugzeuge zur Erklärung lokaler UFP-Spitzen­belastungen beitragen können. Warum also der Widerstand gegen diese Erkenntnis?

Über die Verfasser dieses Berichts kann man speku­lieren, dass es die gleichen sind, die damit auch das UBA-Projekt in den Sand gesetzt haben, aber zumindest solange an ihrem geschei­terten Modell fest­halten müssen, bis der Abschluss­bericht veröffent­licht und die Rechnung bezahlt ist. Aber warum verbreitet Fraport derartigen Unsinn nun schon zum zweiten Mal?
Grundsätz­lich handelt Fraport bezüglich der durch den Flugbetrieb verur­sachten Schad­stoffe ebenso wie beim Lärm und bei den Klima­schäden völlig verant­wortungs­los. Gemessen wird nur, was gesetz­lich erzwungen wird, alles andere wird abge­schoben. Selbst die arbeits­rechtlich eigent­lich vorge­schriebene Vorsorge für die eigenen Mitarbei­ter*innen gibt es nicht, weil das zustän­dige Minis­terium keine konkrete Auflage formuliert. Und die ebenfalls betrof­fenen Passa­giere sind ihnen sowieso völlig egal.
Aber Fraport weiss natürlich, dass in der UFP-Diskussion Gefahren­potential steckt. Schon jetzt gibt es öffent­liche Aufmerk­samkeit für das Thema, und sollten sich Forde­rungen durch­setzen, die Belastung umfassend zu analy­sieren und ggf. zu redu­zieren, könnte es teuer werden und auch sonstige negative Konse­quenzen haben. Daher braucht es eine Argumen­tation, die solche Forde­rungen als grundlos erscheinen lässt. Die muss nicht besonders ausgefeilt sein, denn sie richtet sich in erster Linie an die gegen­über Fraport bekannter­maßen extrem gut­willigen Aufsichts­behörden sowie mit dem Thema befasste Institu­tionen wie die Flug­lärm­kommis­sion. Denen aber fehlt in der Regel die notwendige Fach­kompetenz und weitgehend wohl auch der Wille, sich mit Fraport und Landes­regierung bei so einem Thema anzulegen.

Bleiben also nur die Betrof­fenen, d.h. hier in erster Linie die Bewohner des Flug­hafen­umlandes und die Beschäf­tigten am Flughafen. Bei beiden Gruppen kann man davon ausgehen, dass ein gewisses Bewusst­sein für die Gefähr­dung gerade durch Ultra­feinstaub vorhanden ist (wie diffus auch immer). Was fehlt, ist eine Perspek­tive, dagegen vorzu­gehen. Die politischen Vertre­tungen haben hier bisher auf allen Ebenen, von den Kommunen bis zum Bund, völlig versagt. Aber auch die Umwelt­verbände kommen bei diesem Thema nicht voran, obwohl es perspek­tivisch durch die hohen UFP-Emissionen auch moderner Kfz-Motoren, die trotz neuer EURO-Normen längst nicht unter Kontrolle sind, immer dringender wird. Da bleibt noch viel zu tun.