Interessant daran ist insbesondere die Grafik, die Messergebnisse der HLNUG-Stationen in Raunheim und Schwanheim zusammenfasst. Man sieht dort, dass in Raunheim die Anzahl-Konzentration an Partikeln der kleinsten gemessenen Größenklasse (wie sie aus Flugzeug-Turbinen emittiert werden) am grössten ist, wenn der Wind aus nordöstlichen Richtungen weht. Grössere Partikel sind deutlich weniger vorhanden und treten bei allen Windrichtungen auf. Die Station in Schwanheim zeigt ein ähnliches Ergebnis, allerdings treten die hohen Konzentrationen bei Wind aus südlichen Richtungen und in den untersten 2-3 Grössenklassen auf.
Die Interpretation dieser Ergebnisse scheint auf der Hand zu liegen. Raunheim wird bei Wind aus nordöstlichen Richtungen von landenden Flugzeugen überflogen; deren Partikelemmissionen bestehen überwiegend aus sehr kleinen Teilchen, die an der Meßstation direkt nachgewiesen werden. Wenn Raunheim bei anderen Windrichtungen nicht überflogen wird, sind die Partikelzahlen deutlich niedriger.
In Schwanheim, wo die Station etwas weiter von der nächsten Anfluglinie entfernt ist, steigen die Partikelzahlen, wenn auf der Nordwestbahn aus Richtung Osten gelandet wird und südliche Winde die Emissionen in Richtung der Meßstation wehen. Da die Partikel bis dorthin etwas länger unterwegs sind, ‚altern‘ sie und klumpen teilweise zusammen, so dass auch etwas mehr grössere Partikel dort ankommen.
Im Detail ist das Ganze natürlich komplizierter, aber grundsätzlich stimmen Theorie und Praxis hier recht gut überein. Das Problem ist nur, dass das nicht wahr sein darf.
Fraport versucht nämlich, das Dogma aufrecht zu erhalten, dass UFP in relevanten Mengen nur am Flughafen direkt emittiert werden und die Überflüge für die Immissionen keine Rolle spielen. Die dazu entwickelte Argumentation ist an Kuriosität wohl kaum noch zu überbieten.
Zunächst wird noch ganz korrekt festgestellt, was alles nicht zu diesem Dogma passt. Die Unterschiede in den Grössenverteilungen an den beiden Stationen sind gerade falsch herum, weil Raunheim weiter vom Flughafen entfernt ist als Schwanheim und daher dort mehr ‚gealterte‘, grössere Partikel ankommen müssten. Das verwendete Ausbreitungsmodell kann nicht beschreiben, wie die gemessenen Partikelanzahlen zu den Meßstationen transportiert werden sollten. Die weitaus überwiegende Anzahl der Partikel am Flughafen wird bodennah emittiert und kann sich garnicht über grössere Strecken ausbreiten.
Dann aber beginnt der Bereich wilder Spekulationen – von einer Qualität, bei der man einem Mathematik-Studenten im ersten Semester empfehlen würde, sich doch lieber im Bereich der Künste zu engagieren oder sonst irgendwo, wo ungehemmte Phantasie eine positive Rolle spielen kann. Hier ist sie fehl am Platz.
Zwar wird zunächst zugegeben, dass das verwendete Ausbreitungsmodell einige für die Partikel-Ausbreitung relevante Prozesse nicht darstellen kann. Das wird aber nicht als Mangel gesehen, sondern nur als Hinweis darauf, dass man ja gar keine Übereinstimmung zwischen Modellergebnissen und Realität erwarten darf. Und dann fallen jegliche Hemmungen: der „subjektive Eindruck von gemeinsamen Mustern in den Zeitreihen von Messung und Modell soll quantitativ erhärtet werden“, trotz „der nur begrenzt gültigen statistischen Voraussetzungen“, und wenn sich auch dabei nur eine „schlechte Korrelation … mit den gemessenen Partikelanzahlen“ ergibt, so „scheint sich hier der starke Einfluss der nicht modellierbaren, flüchtigen, sekundär gebildeten Partikel auf die Messergebnisse bemerkbar zu machen“. In Kürze: Wir bilden uns einen Zusammenhang ein, rechnen mit untauglichen Methoden nach, finden ihn trotzdem nicht und haben damit gezeigt, dass er durch andere Mechanismen bewirkt sein muss.
Und so geht es weiter. Auch, wenn die Korrelationen schlecht und die Prozesse nicht modellierbar sind, legen die Ergebnisse „nahe, dass ein beträchtlicher Anteil der gemessenen ultrafeinen Partikel in Raunheim und Schwanheim zwar mit dem Flughafen- bzw. Flugbetrieb verknüpft ist, aber nicht aus primären Triebwerksemissionen, d.h. nicht aus Ruß besteht. Dies hätte auch Konsequenzen für die Beurteilung ihrer Wirkung. Während die gesundheitsschädigende Wirkung von Ruß unbestritten ist, muss dies für andere, sekundär gebildete Partikel nicht oder nicht in gleichem Maß der Fall sein, insbesondere wenn es sich um lösliche Sekundärprodukte der gasförmigen Vorläufer Schwefeldioxid und Stickoxide handelt.“ Kurz zusammengefasst sagt das: unser Modell taugt nichts, wir können die Meßergebnisse nicht erklären, aber wir nehmen das als Hinweis dafür, dass alles ganz harmlos ist. Sowas muss man sich erst einmal trauen.
Diese Argumentation ist umso erstaunlicher, als es natürlich Modelle gibt, die die genannten (und die verschwiegenen) Mängel nicht haben und die Partikel-Ausbreitung einigermaßen realistisch darstellen können. Aktuell wird z.B. eins am Amsterdamer Flughafen Shipol eingesetzt, um die Belastung der Bevölkerung im Umland und die daraus resultierenden Gesundheitsrisiken zu bestimmen.
Und es gibt auch zahlreiche Belege für die Rolle der Überflüge zur Erklärung der Messungen in Raunheim und Schwanheim und anderswo. Ein Forscher hat es in der 23. Konferenz der ETH Zürich zu „Nanopartikeln aus Verbrennungsprozessen“, die gerade zu Ende gegangen ist, bescheiden und prägnant so ausgedrückt: „Our results suggest that landing aircraft can help explain peak ambient UFP exposures.“, in Deutsch: Unsere Ergebnisse legen nahe, dass landende Flugzeuge zur Erklärung lokaler UFP-Spitzenbelastungen beitragen können. Warum also der Widerstand gegen diese Erkenntnis?
Über die Verfasser dieses Berichts kann man spekulieren, dass es die gleichen sind, die damit auch das UBA-Projekt in den Sand gesetzt haben, aber zumindest solange an ihrem gescheiterten Modell festhalten müssen, bis der Abschlussbericht veröffentlicht und die Rechnung bezahlt ist. Aber warum verbreitet Fraport derartigen Unsinn nun schon zum zweiten Mal?
Grundsätzlich handelt Fraport bezüglich der durch den Flugbetrieb verursachten Schadstoffe ebenso wie beim Lärm und bei den Klimaschäden völlig verantwortungslos. Gemessen wird nur, was gesetzlich erzwungen wird, alles andere wird abgeschoben. Selbst die arbeitsrechtlich eigentlich vorgeschriebene Vorsorge für die eigenen Mitarbeiter*innen gibt es nicht, weil das zuständige Ministerium keine konkrete Auflage formuliert. Und die ebenfalls betroffenen Passagiere sind ihnen sowieso völlig egal.
Aber Fraport weiss natürlich, dass in der UFP-Diskussion Gefahrenpotential steckt. Schon jetzt gibt es öffentliche Aufmerksamkeit für das Thema, und sollten sich Forderungen durchsetzen, die Belastung umfassend zu analysieren und ggf. zu reduzieren, könnte es teuer werden und auch sonstige negative Konsequenzen haben. Daher braucht es eine Argumentation, die solche Forderungen als grundlos erscheinen lässt. Die muss nicht besonders ausgefeilt sein, denn sie richtet sich in erster Linie an die gegenüber Fraport bekanntermaßen extrem gutwilligen Aufsichtsbehörden sowie mit dem Thema befasste Institutionen wie die Fluglärmkommission. Denen aber fehlt in der Regel die notwendige Fachkompetenz und weitgehend wohl auch der Wille, sich mit Fraport und Landesregierung bei so einem Thema anzulegen.
Bleiben also nur die Betroffenen, d.h. hier in erster Linie die Bewohner des Flughafenumlandes und die Beschäftigten am Flughafen. Bei beiden Gruppen kann man davon ausgehen, dass ein gewisses Bewusstsein für die Gefährdung gerade durch Ultrafeinstaub vorhanden ist (wie diffus auch immer). Was fehlt, ist eine Perspektive, dagegen vorzugehen. Die politischen Vertretungen haben hier bisher auf allen Ebenen, von den Kommunen bis zum Bund, völlig versagt. Aber auch die Umweltverbände kommen bei diesem Thema nicht voran, obwohl es perspektivisch durch die hohen UFP-Emissionen auch moderner Kfz-Motoren, die trotz neuer EURO-Normen längst nicht unter Kontrolle sind, immer dringender wird. Da bleibt noch viel zu tun.